Klare Regeln schaffen

Wie wir mit dem Sterbewunsch älterer Menschen ohne lebensbedrohliche Krankheit umgehen sollten.

Einen Menschen zu verlieren tut extrem weh. Die Endgültigkeit des Todes passt irgendwie nicht mehr in unsere heutige Zeit. Wir sind es gewohnt, stets mehrere Optionen zu haben. Und wenn das Gewählte nicht zusagt, entscheiden wir uns eben um.

Beim Tod geht das nicht. Dieses Unumkehrbare macht vielen von uns Angst. Noch schwieriger wird es beim Thema Freitod. Solange wir nicht betroffen sind, entscheiden wir mit dem Kopf und zeigen Verständnis. Wenn wir aber der betroffenen Person nahestehen, dann beurteilen wir das Ganze vor allem mit dem Herzen – und sind oft skeptischer.

Wichtig ist in meinen Augen, dass wir den Umgang mit dem Freitod klar regeln. In der Schweiz sterben jedes Jahr rund 66'000 Menschen – rund 1,5 Prozent nehmen Sterbehilfe in Anspruch. Das sind um die Tausend Menschen pro Jahr. Tausend persönliche Schicksale. Für die Betroffenen, aber auch für deren Angehörige.

Die Schweiz kennt im Gegensatz zu anderen Ländern kein Spezialgesetz zur Sterbehilfe. Die strafrechtlichen Bestimmungen, zusammen mit dem Heilmittelgesetz und den standesrechtlichen Regeln, stellen das Instrumentarium zur Missbrauchsbekämpfung dar. Zwar hat das Parlament vor einigen Jahren die Einführung der ärztlichen Tötung auf Patientenwunsch (aktive Sterbehilfe) abgelehnt. Die Politik steht aber hinter der Freitodbegleitung von seriösen Organisationen wie Exit.

Unsere Aufgabe ist es meiner Meinung nach, im Rahmen des Möglichen alle Beteiligten zu schützen. Das gilt insbesondere auch für die Ärzte. Sie befinden sich heute noch allzu oft im Clinch. Ein erleichterter Altersfreitod ohne unheilbare Krankheit ist bei vielen Ärzten umstritten. Das Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital ist nach der heutigen Rechtslage aber nur mit einem ärztlichen Rezept erhältlich. Von verschiedener Seite wird deshalb bei der Rezepterstellung eine Loslösung von der Medizin angestrebt. Diese Forderung unterstütze ich.

Auch bei psychischen Krankheiten zeigt sich das Dilemma vieler Mediziner. Denn Ärzte sehen Depressionen als eine Krankheit an, die sich behandeln lässt. Es ist deshalb wichtig, dass es in dieser schwierigen Frage schweizweit geltende Leitplanken und Schranken gibt. Diese müssen gewährleisten, dass die organisierte Suizidhilfe insbesondere in Fällen, in denen keine lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt, wirklich immer nur der letzte Ausweg bleibt.

Es braucht eine gesellschaftliche Debatte darüber, was akzeptiert ist und was allenfalls zu weit geht. Solche Entscheidungen müssen wir als Gesellschaft fällen. Wir dürfen diese Verantwortung nicht einfach den Gerichten überlassen.

Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass in umstrittenen Fällen, bei denen die Sterbewilligen keine unheilhabe Krankheit haben, zwingend ein Gespräch mit externen Fachleuten nötig würde. Ein Beratungsgespräch, bei dem alle Möglichkeiten erörtert werden. Von solchen Gesprächen profitieren heute ja beispielsweise auch schwangere Frauen, die sich für einen Abbruch der Schwangerschaft entscheiden möchten. Und wie dort sollte auch bei der Sterbehilfe der Entscheid letztlich dem Betroffenen überlassen bleiben. Dies wäre für mich persönlich in Fällen von Suiziden psychisch kranker oder bei älteren Menschen ohne lebensbedrohliche Krankheit eine mögliche Option.

Die Endgültigkeit des Todes mag nicht mehr in unsere heutige Zeit passen. Ich bin aber auch überzeugt, dass kein Gesetz dieser Welt schwierigen Fälle befriedigend klären kann. Wie wir mit Fragen rund um den Tod umgehen, sagt aber viel über uns selbst aus.

Damian Müller, Ständerat des Kantons Luzern, Hitzkirch